Interview mit Christopher Park
von Jonas Zerweck
Christopher Park ist ein Ausnahmepianist. Das zeigen seine weltweiten Solokonzerte und das meint auch die Jury des Leonard Bernstein Award, der beim Schleswig-Holstein Musik Festival vergeben wird. Er habe eine »faszinierende technische Souveränität, unglaubliche musikalische Reife und besonders intensive Spielkultur«, so die Begründung der Jury. Am 12. Juli wird er im Rahmen der 40. Hamburger Ballett-Tage mit dem HAMBURG BALLETT drei Werke bei der Vorstellung „Ballette für Klavier und Stimme“ aufführen, bevor er genau eine Woche später den Leonard Bernstein Award erhält.
Alexandre Riabko, Christopher Park @ Hamburg Ballett
Haben Sie neben »Ballette für Klavier und Stimme« eine eigene Verbindung mit dem Tanzen?
Ich musste natürlich die obligatorischen Tanzkurse mit der ersten Freundin machen. Für Ballett aber habe ich schon immer eine wahnsinnige Faszination gehabt. Es gibt tolle Transkriptionen von verschiedenen Balletten für das Klavier. Als ich die gespielt habe, bin ich sehr regelmäßig ins Ballett gegangen. Eine direkte Kooperation erlebe ich jetzt zum ersten Mal.
Erarbeiten Sie sich die Stücke bei dieser Kooperation im Vorhinein alleine oder mit John Neumeier zusammen?
Natürlich habe ich das musikalisch selbst erarbeitet. Ich kümmere mich als Musiker um die Musik und der Choreograf um den Tanz. Es ist ganz klar, das eine Arbeit für sich selbst steht. Ab dem Zeitpunkt aber, an dem wir mit der Probenarbeit beginnen und die beiden Welten verweben, gibt es natürlich Schnittpunkte bei denen man aufeinander zugehen und kooperieren muss. Meistens geht es dabei um das Tempo. Ich richte mich da als Musiker nach den Tänzern, so dass die Musik für sie überhaupt umsetzbar ist.
Das Wunderbare an der Zusammenarbeit mit John Neumeier ist, dass er mich immer wieder dazu ermutigt hat, einfach ganz frei zu sein. Ich sollte mich in der ersten Zeit nicht vom Tanzen ablenken lassen, so dass die Tänzer versuchen mussten, sich nach mir zu richten. Die Aufmerksamkeit muss von beiden Seiten kommen. Ich versuche darauf zu achten, dass ich ihnen nicht wegrenne oder dass ich zu langsam werde und die Tänzer passen auf, dass sie mit der Musik zusammen sind.
Wie würden Sie die Verbindung zwischen Tänzern und Pianist bei diesen Aufführungen beschreiben?
Das ist von Werk zu Werk unterschiedlich. In dem Zyklus der »Kinderszenen« zum Beispiel herrscht durch die gesamte Choreographie hinweg immer mal wieder ein sehr intensives Band zwischen einzelnen Tänzerinnen und Tänzern und mir. Wir interagieren auch direkt und bauen einen engen Kontakt auf. Das ist eine sehr enge Verbindung.
Bei »Vaslaw« ist es ähnlich, da es ein sehr persönliches Werk von Neumeier ist und deswegen auch dort eine sehr große Nähe zwischen Pianist und Tänzern besteht.
Aber bei den »Petruschka-Variationen« hingegen fühle ich mich eher als Beobachter von oben. Das ist natürlich ein kleiner Widerspruch in sich, denn die Tänzer tanzen um mich herum. Aber dennoch ist es mehr ein Beobachten. Die Choreografie bindet mich als Pianisten nicht so stark ein.
Wie sehr müssen bzw. sollten Sie sich in die Tänzer hineinfühlen?
Das Schöne ist, dass es wahrscheinlich kein »sollte« gibt. Dieses Ballett-Format baut nicht auf eine jahrhundertealte Tradition auf, sondern ist recht neu. Man kann es selbst neu mit entdecken und zum Teil auch mit entwickeln. Für mich persönlich ist es so, dass ich wahnsinnig gerne auf die Tänzer achte und versuche das irgendwie einzubinden.
Am Ende muss man bei der Aufführung von Musik sehr frei sein und dann ist es wunderbar, wenn man zum Beispiel im Pas de deux des zweiten Satzes von den »Petruschka-Variationen« den beiden Tänzern zuschauen kann. Ich kann auf gewisse Bewegungen achten und sie mit der Musik verbinden. Die Tänzerin lässt am Ende ihren Arm fallen und ich kann darauf achten, dass zeitgleich in der Musik der wunderbare harmonische Abstieg erklingt. Das erhöht den Eindruck der Szene sehr deutlich und löst dann auch beim Publikum viel mehr Resonanz aus. Dann wird gelacht oder geschmunzelt und es macht mir selber auch einen irrsinnigen Spaß, Musik und Bewegung aufeinander abzustimmen.
Warum ist diese Kooperation für Sie so spannend?
Das ist eine generelle Sache. Man möchte ja Musiker und nicht Pianist sein. Das Ideal, ein vollständiger Künstler zu sein, erreicht man nur, wenn man viele Perspektiven kennt. Als Musiker gehört es dazu, dass man nicht nur solistisch auftritt, sondern sich auch kammermusikalisch beschäftigt, Liedbegleitung spielt, mit einem Orchester arbeitet und alles Andere. Ganz besonders gehört es aber dazu, dass man nicht einen Tunnelblick entwickelt und nur auf die Kunst bezogen ist, die man ausübt. Man muss auch die Parallelen, Brücken und Einflüsse bei den Künsten untereinander erkennen.
Für mich ist dieses Zusammenspiel so spannend, weil es mich in meiner Vorstellung von Bewegung in der Musik verändert hat. Wenn man Stücke zusammen mit Tänzern erarbeitet, hat man Zugang zu dem Ursprung von Bewegung. Das ist ganz wunderbar für mich und jedes Mal, wenn ich die »Petruschka-Variationen« im Solokonzert spiele, habe ich die Tänzer vor Augen. Es ist ein wertvoller Schatz für mich, dass ich diese Kooperation eingehen durfte.
Wie für Sie, ist auch für das Publikum die Situation ungewöhnlich, dass Sie umtanzt werden während Sie spielen. Wie ist das Feedback, das Sie wahrnehmen?
Das ist durchweg positiv! Es ist ja auch einfach eine schöne Idee. Der Tenor ist: Es ist besonders! Das ist es, weil es so selten ist und ich höre immer wieder den Wunsch, dass man es doch an viel mehr Orten spielen müsste. Diese Form ist eine tolle Sache, die noch viel Zukunft vor sich hat.
»Ballette für Klavier und Stimme« von John Neumeier
Aufführung: 12. Juli 2014, um 20.00 Uhr
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