Laura Cazzaniga über John Neumeiers »Peer Gynt« – 1989 und heute
Von Dr. Jörn Rieckhoff (Moskau, 22. Januar 2016)
Laura Cazzaniga © Holger Badekow
Sie kennen »Peer Gynt« seit der Kreation 1989 in Hamburg. Wie haben Sie die Entstehung des Balletts erlebt?
Ich war tatsächlich in der Kreation, und zwar als eine von den Trollen zusammen mit Jean-Jacques Defago. Wie jede Kreation war auch diese Zeit sehr spannend – besonders weil es erst mein zweites Jahr beim Hamburg Ballett war. Ich war noch sehr jung …
Die Musik von Alfred Schnittke war ein Auftragswerk und erst kurz zuvor komponiert worden. Wie ist es, als Tänzer mit völlig unbekannten Klangverläufen umzugehen?
Wie so oft, war das zunächst eine Herausforderung. Gerade bei dieser Art von Musik muss man sich wirklich hineinhören und sich viel stärker darauf einlassen als bei klassischer Musik. Es ist völlig anders, als wenn alle Schritte in Vierereinheiten eingeteilt werden können.
Seit 2008 sind Sie als Ballettmeisterin beim Hamburg Ballett tätig. Gerade erst haben Sie die Probe geleitet – und zusätzlich stehen Sie jeden Abend als »Solveigs Mutter« auf der Bühne. Wie schaffen Sie es, diese Doppelrolle einzunehmen?
Man muss den Hebel im Kopf ganz schnell umstellen können. Die Schritte, die ich auf der Bühne tanze, sind mir sehr vertraut. Es macht immer noch großen Spaß, auf der Bühne aufzutreten! Trotzdem, mein Hauptberuf ist es, Ballettmeisterin zu sein und zu schauen, wie die Tänzer die Schrittfolgen umsetzen.
Laura Cazzaniga, Ivan Urban (Solveigs Eltern) und Emilie Mazon (Solveig) © Kiran West
Sie haben in der Vergangenheit auch die Rolle von Peers Mutter »Aase« getanzt. Wie oft haben Sie mit dem Ballett »Peer Gynt« auf der Bühne gestanden?
Ich habe das Ballett sehr oft getanzt und dabei immer wieder großartige Tänzerinnen gesehen, die diese Rolle übernommen haben, beispielsweise Anna Grabka und Heather Jurgensen. Es ist hochinteressant, dieselbe Rolle mit verschiedenen Tänzern zu sehen, denn jeder trägt etwas Anderes an die Rolle heran und entwickelt sie auf diese Weise weiter.
Gestern Abend hat Emilie Mazon ihr Debüt als »Solveig« getanzt. Vor 27 Jahren war es ihre Mutter Gigi Hyatt, für die John Neumeier die Rolle kreierte – eine höchst seltene Konstellation. Sehen Sie Ähnlichkeiten in der Interpretation dieser großen und anspruchsvollen Rolle?
Jede Tänzerin löst diese lohnenswerte Aufgabe auf ihre Weise, auch Anna Laudere und Alina Cojocaru, die in dieser Spielzeit bei uns die Rolle der »Solveig« übernehmen. Emilie ist die Jüngste von ihnen, aber letztlich kommt es für alle darauf an, mit der eigenen Persönlichkeit die Rolle zu gestalten. Jede versetzt sich in »Solveig« hinein – und fühlt doch etwas Anderes.
Emilie Mazon (Solveig) und Carsten Jung (Peer Gynt) © Kiran West
Gigi Hyatt (Solveig) und Ivan Liska (Peer Gynt) © Holger Badekow
Anna Laudere (Solveig) © Kiran West
Wie ist es für Sie, im Bolschoi-Theater mit einem großen Ballett wie »Peer Gynt« aufzutreten?
Ich liebe die Größe und Weite des Bolschoi-Theaters. Man kann hier wirklich alles geben, es ist wunderschön! Zugleich ist es ein großes Privileg, hier zu tanzen. Fünf Auftritte mit »Peer Gynt« sind auch fünf Gelegenheiten, das Ballett noch schöner und besser zu tanzen. Jeder Abend hat die innere Spannung einer Premiere!
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